Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der SPD in der Rodenbacher Gemeindevertretung Edgar Kreuzer zum Haushalt 2011
Gemeindevertretung Rodenbach 09.12.2010 – Haushalt 2011;
Edgar Kreuzer, Fraktionsvorsitzender der SPD, es gilt das gesprochene Wort:
Herr Vorsitzender,
meine Damen und Herren,
mit der Feststellung, dass die Kommunen im Jahr 2010 das höchste Defizit in der Geschichte der BRD zu verzeichnen haben (ca. 12 Mrd.), ist die dramatische finanzielle Situation eigentlich ausreichend beschrieben.
Die in den vergangenen Wochen und Monaten geführte öffentliche Debatte um die Lage der Gemeindefinanzen und das Bemühen um eine bessere Finanzausstattung der Kommunen konnten wir alle verfolgen. In seiner Haushaltsrede hat unser Bürgermeister die Lage noch einmal ausführlich dargestellt.
Schuld an der aktuellen Situation ist zum Einen die Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihrem Höhepunkt in 2010, zum Anderen aber auch die Steuerpolitik der vergangenen Jahre. Die Vermögenssteuer wurde abgeschafft, die Einkommensteuer wiederholt gesenkt, die Körperschaftssteuer vermindert und Mehrwertsteuergeschenke verteilt. Nun wurde auf Bundesebene gerade noch der nächste Angriff auf die Gewerbesteuer abgewehrt.
Alle diese Entscheidungen und Überlegungen sind Ausflüsse eines neoliberalen Zeitgeistes. Er hat die Welt an den Rand des Abgrunds geführt und wir wissen noch immer nicht, ob die Risiken endgültig gebannt sind. Jeder für sich- und alle gegen den Staat; das war die Botschaft.
Jetzt ist aber nicht mehr die Zeit für Grundsatzdebatten, davon haben wir genug. Es besteht zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung dringender Handlungsbedarf. Wir alle sind in unseren Parteien gehalten, unsere Forderungen unmissverständlich und mit allem Nachdruck „oben“ anzumelden.
Aktuell spricht Hessen von der Schuldenbremse, die über eine Volksabstimmung am 27.03.2011 in die Verfassung aufgenommen werden soll und nach den kürzlich getroffenen Absprachen in Wiesbaden wohl auch aufgenommen wird.
Es bleibt die Hoffnung, dass sich nach den parteiübergreifenden Vereinbarungen in Wiesbaden der Fokus nicht ausschließlich auf die Einsparung und einen sozialen Kahlschlag richtet. Wir benötigen auch Einnahmeverbesserungen um eine zielführende Investitionstätigkeit der Kommunen dauerhaft zu sichern. Oder wollen wir zusehen wie Spielplätze oder Sportstätten verrotten, Jugendzentren schließen, Straßen zu Schlaglochpisten werden und in den Kindertageseinrichtungen bzw. anderen öffentlichen Gebäuden der Putz bröckelt.
Ein erster Schritt in eine gedeihliche Zukunft wäre sicher eine bessere Zusammenarbeit auf hoher und höchster Ebene. Eine Voraussetzung hierfür könnte die Abkehr von einem streitsüchtigen, technokratischen und kalt anmutenden Politikstil sein.
Wie es nicht gehen kann, zeigt aktuell die Hessische Landesregierung. Sie entzieht den Kommunen ab 2011 jährlich und damit dauerhaft 360 Mio. € aus dem Finanzausgleich. Nun versucht sie das Ganze in der Öffentlichkeit zu beschönigen, in dem sie den Kommunen auf der Basis der aktuellen Steuerschätzung einen „Vorschuss“ in Höhe von 300 Mio. € (einmalig) gewährt. Je nach politischer Sichtweise kann man diese Vorgehensweise als intelligente Lösung, kreative Buchhaltung oder auch Veräppelung der Kommunen bezeichnen. Die Demonstration der Bürgermeister am 22.11.2010 in Wiesbaden war darauf die richtige Antwort. Das nachfolgende Presseecho führt zu der Erkenntnis, dass offensichtlich viele hauptamtliche Politiker das System des Finanzausgleichs noch nicht verstanden haben. Es besteht daher dringender Reformbedarf (Vereinfachung).
Wir auf der kommunalen Ebene sind die Garanten für die soziale Daseinsvorsorge. Wir sind auch bereit, im Rahmen einer fair ausgestalteten kommunalen Selbstverwaltung unseren Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu leisten.
Kultur, Freizeit, Sport und Bildung, das sind die Pfunde mit denen wir in Rodenbach auch in Zukunft wuchern wollen. Es sind die Markenzeichen der SPD-Politik! Der Wert oder die Erfolge auf diesen Politikfeldern lassen sich nicht kurzfristig in € und Cent messen oder in Kennzahlen ausdrücken. Sie sind aber das Schmiermittel für die Gestaltung der Zukunft. Welche freiwilligen Leistungen bieten wir noch an. Viele kommunale Angebote gelten nach den rechtlichen Grundlagen als freiwillige Leistungen, faktisch haben sie aber bereits den Status als Pflichtaufgabe erlangt. Wer kann sich denn eine Kommune z.B. ohne funktionierende Kitas, Bücherei oder großes ehrenamtliches Engagement vorstellen?
Unsere Gesellschaft wandelt sich – auch in Rodenbach! Diesen Wandel wollen wir als verlässlicher Partner der Menschen begleiten und das Profil Rodenbachs als soziale, kinder- und familienfreundliche Gemeinde schärfen.
Daraus leiten sich die wesentlichen politischen Schwerpunkte der Rodenbacher SPD ab, diese sind
- eine kluge und vorausschauende Finanzpolitik,
- eine solidarische und sozial vorsorgende Bildungs-, Familien, Jugend und Seniorenpolitik,
- eine Politik, die ein breites Kultur- und Sportangebot,
- dem demographischen Wandel Rechnung tragende Entwicklung der Gemeinde.
All diese Themenfelder der Kommunalpolitik tragen ihren Teil zur menschenwürdigen Gestaltung des 21. Jahrhunderts bei.
- Über Jahre konnten wir in Rodenbach dank einer soliden Finanzpolitik einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und noch eine stattliche Rücklage ansammeln. Diese Rücklage wurde nicht für Prestigeobjekte geopfert oder sinnlos verplempert. Leider ist zum Jahresende das Ersparte aufgebraucht, aber wir konnten so immerhin eine frühzeitige Verschuldung vermeiden und befinden uns daher noch in einer besseren Ausgangslage als andere Kommunen.
Beispiel: Rathausumbau 2010 über Konjunkturprogramm und Eigenmittel der Gemeinde.
→ Signal für dauerhaften Standort. - In unserer Gemeinde sollen sich alle Bevölkerungsgruppen wohl fühlen! In den vergangenen Jahren haben wir hierfür gute Voraussetzungen geschaffen.
Diese wollen wir unter allen Umständen auch für die Zukunft erhalten, um den Kindern, Jugendlichen und Familien den gesellschaftlichen und sozialen Rückhalt zu sichern.
Die Integration genießt bei uns einen hohen Stellenwert. Bildung, Vermittlung von sozialer Kompetenz und Integration sehen wir im Kontext. Bereits in der frühkindlichen Betreuung wollen wir unseren Beitrag zum Abbau sprachlicher und kultureller Barrieren leisten. Alle Institutionen und Vereine, die sich dem Thema widmen, möchten wir bei ihrer Arbeit unterstützen.Die Seniorenarbeit ist eine weitere wichtige Säule in unserer Gesellschaft und stellt uns aufgrund der demographischen Entwicklung vor ständig wachsende Herausforderungen, gibt uns aber auch neue Chancen und Perspektiven. Dieses Potenzial muss genutzt werden, wir wollen die aktiven Seniorinnen und Senioren ehrenamtlich noch stärker in das Gemeindeleben einbinden.
Die in den Produktbereichen 5 und 6 des Haushaltsplanentwurfs eingestellten Mittel sind eine sinnvolle Investition in die Zukunft (Schulsozialarbeit 15.000 €, Zuschuss für Kinderbetreuung rd. 2,7 Mio. €).
Anstrengungen stehen uns noch bei der Umsetzung der Mindets-VO der Landesregierung in den Kindertageseinrichtungen ab 2010 sowie der U-3 Betreuung bevor. (Unterstützung des Gemeindevorstands zur Durchsetzung der finanziellen Interessen, ggf. Klagen!) - Kommunalpolitik benötigt Partner! Wir sehen die Vereine, Organisationen und Verbände als wichtigen Teil der Rodenbacher Gesellschaft.
Unsere Gemeinde wird u. a. durch das rege Vereinsleben und dem damit einhergehenden großen ehrenamtlichen Engagement geprägt.
Die Rodenbachhalle, der Festplatz, der Bürgertreff, der alte Ortskern, die Sporteinrichtungen, der neu gestaltete Schützenhof und der Dorfplatz bilden für die Vereine und Organisationen bis hin zu dem wertvollen Wirken der Kulturinitiative beste Voraussetzungen für ihr Schaffen.Mit unserer Politik wollen wir dieses Sozialkapital in Rodenbach noch weiter aktivieren. Aber: Das Ehrenamt darf nicht zum Lückenbüßer oder „Notnagel“ für die arm gemachten Kommunen missbraucht werden.
Das vorhandene Potenzial zeigt sich an verschiedenen Beispielen: Schützenhof, Ausschreibung Schiedsfrau/Schiedsmann und Jugendfeuerwehr!
Wir werden an der Unterstützung dieser Aktivitäten auch in schwierigen finanziellen Zeiten festhalten. Die hier aufgewendeten Mittel sind gemessen am Gesamthaushalt eher als Teil einer Anerkennungskultur denn als echte wirtschaftliche Hilfe zu betrachten. - In unserem Land haben alle gesellschaftlichen Gruppen die Bedeutung der Bildung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes erkannt. Wirtschaftsfachleute fordern zur Sicherung eines dauerhaften Aufschwungs eine Bildungsoffensive.
Deshalb wollen wir auch in finanziell schwierigen Zeiten an unserer Bücherei/Mediathek festhalten, sie ermöglicht den Zugang zur Bildung für alle, von der frühkindlichen Bildung bis hin zum lebenslangen Lernen.Die Bücherei besteht seit mehr als 20 Jahren. Damals war noch keine Rede von Bildung und lebenslangem Lernen. Bildung ist für uns die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Mit der Teilnahme an dem OnleiheVerbundHessen wurde das Angebot innovativ und zeitgemäß erweitert. Mit der virtuellen Zweigstelle können neue Zielgruppen angesprochen werden. Dazu gehören z.B. Menschen, deren Mobilität eingeschränkt ist, Pendler, die die Bibliothek nicht während der üblichen Öffnungszeiten nutzen können und junge Leute, für die das Internet schon zum Alltag gehört.
Darüber hinaus ist die Bücherei mit ihrem breiten Veranstaltungsangebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene eine nicht mehr aus dem Veranstaltungskalender der Gemeinde wegzudenkende Institution. Sie hat sich zu einem kulturellen Mittelpunkt entwickelt und regt ehrenamtliches Engagement an. Derzeit sind 28 Personen tätig. - Die demographische Entwicklung macht auch vor Rodenbach nicht halt. Wir werden weniger und älter. Darauf gilt es zu reagieren. Wir wollen als derzeit zweitälteste Gemeinde im MKK auch in der Zukunft attraktiv für junge Familien sein.
Unser Betreuungsangebot trägt hierzu ganz erheblich bei und ist somit ein bedeutender Standortfaktor für unsere im grünen gelegene Wohngemeinde. Nach einer Phase des Einwohnerrückgangs können wir erfreulicher Weise seit ca. 1 ½ Jahren wieder Wanderungsgewinne verzeichnen.
Diesen Trend gilt es zu festigen. Einen Beitrag hierzu kann die geplante Ausweisung des Wohngebiets „Südlich der Adolf-Reichwein-Straße“ leisten.
Mit veranschlagten 150.000,-€ wird die Planungs- und Gestaltungsberatung die Grundlagen für die künftigen Beratungen in den Ausschüssen und der Gemeindevertretung geschaffen.
Die spätere Entwicklung des Gebietes muss sich am tatsächlichen Bedarf orientieren.Mit den Investitionen der DE in OR haben wir einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität geleistet (Schützenhof, Dorfplatz).
Den Ausbau der Hanauer Landstraße/ Gelnhäuser Straße verlieren wir nicht aus den Augen. Wir benötigen aber keine Prachtstraße, die Zinslast für diese Investitionen müssten wir nämlich schultern.
In finanziell schwierigen Zeiten stellen wir dieses Vorhaben daher zurück und vermitteln dies auch den Menschen vor Ort.Barriere freie Zugangsmöglichkeiten öffentlicher Gebäude (Bürgerhaus, Rathaus) wurden geschaffen, weitere folgen Zug um Zug.
Ein attraktives innerörtliches Angebot ÖPNV zur Aufrechterhaltung der Mobilität für Senioren und junge Familien begreifen wir als Zukunftsaufgabe. - Wir verfügen über ein hervorragendes Angebot zur Prävention im Jugendbereich mit dem „Runden Tisch familienfreundliches Rodenbach“ und dem daraus abgeleiteten Elternkurs „Starke Eltern- starke Kinder“. An dieser Stelle werden wir mit den Aktivitäten nicht nachlassen.
- Die Ausstattung der Feuerwehr mit moderner Technik ist für uns selbstverständliches Anliegen zur Aufrechterhaltung der Gefahrenabwehr für die Einwohnerinnen und Einwohner. In diesem Kontext sehen wir die Anschaffung des HLF 20-16 (Hilfeleistungs-Löschfahrzeug) als notwendige Investition an.
Erfreut nehmen wir zur Kenntnis, dass unser Prüfantrag vom letzten Jahr zur Vorplanung einer FFW-Zentrale mit einem Haushaltsansatz in Höhe von 30.000 € ihren Niederschlag im Haushalt gefunden hat.
Hier geht es um eine professionelle Unterstützung der Gemeinde zur Planung rund um den Bauhof unter Einbeziehung der Abfallsammelstelle.
Die Feuerwehr wird in die weiteren Planungsschritte auf jeden Fall eingebunden, wir freuen uns schon heute auf konstruktive Anregungen aus diesen Reihen.
Die Fortführung der Investitionen im Rahmen des Gehwegeprogramms mit rd. 175.000 € und der Kläranlage mit rd. 350.000 € runden den in sich schlüssigen Haushaltsentwurf ab.
Wir haben das Zahlenwerk von allen Seiten beleuchtet und müssen zur Kenntnis nehmen, dass trotz einer Einnahmeverbesserung nach Abzug der Abschreibungen ein Minus von rd. 1,2 Mio. € nicht zu vermeiden ist.
Stellschrauben/Stellschräubchen und interkommunale Zusammenarbeit.
Haushalt 2008 = 18,4 Mio., Ausgaben Haushalt 2011 = 17,4 Mio.
Ich stelle zusammenfassend fest:
- der Gemeindevorstand hat einen Entwurf vorgelegt hat, der den schwierigen Rahmenbedingungen Rechnung trägt
- es handelt sich im wahrsten Sinne um einen Sparhaushalt
- er wird dennoch den Ansprüchen der SPD-Fraktion an eine gestalterische Kommunalpolitik gerecht.
Noch ein Hinweis zu den Personalkosten. Es sind in Absprache mit den Betroffenen für das nächste Jahr keine Mittel für Höhergruppierungen und Beförderungen vorgesehen. Kompliment für diese Haltung. Sie kann aber keine Lösung zur dauerhaften Haushaltskonsolidierung sein und wird von uns daher als eine einmalige Geste angesehen.
Unsere Zustimmung zum Haushaltsplanentwurf ist selbstverständlich. Wir hoffen auf einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung sowie steigende und stabile Einnahmen.
Meine Damen und Herren, ich will mit Dank schließen. Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die für uns stets kompetente Ratgeber sind. Unser Dank gilt auch der Rathausspitze und den Gemeindevorstand, die unsere Gemeinde in einem schwierigen Jahr wieder auf Kurs gehalten hat. Vor allem der Finanzverwaltung danken wir für ihre mühevolle, hervorragende Arbeit. Meinen Kolleginnen und Kollegen Gemeindevertretern danke ich für die beispielhaft faire und angenehme Zusammenarbeit.